Glückskekse im Advent by Silke Wolfrum

Autor:Silke Wolfrum
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783446271876
Herausgeber: Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
veröffentlicht: 2021-09-22T00:00:00+00:00

13

»Das war voll die Kacke!«, schnaubt Mo wütend, als Finja ihm zu Hause den Hubschrauber überreicht. »Ich hab mich vor allen zum totalen Deppen gemacht!«

Finja lässt die Schultern hängen. Sie ist so müde. Und jetzt ist auch noch Mo total sauer auf sie.

»Aber DU hast doch den Stern gegen den Baum knallen lassen«, versucht sie sich zu verteidigen.

»Weil das einfach die totale Schnapsidee war. Ich konnte das Teil kaum steuern!«

»Dafür helf ich dir morgen mit Nika!«, sagt Finja, aber Mo antwortet nur mit einem wütenden »Mmpf!«, verschwindet in seinem Zimmer und haut die Tür zu.

Finja schaut ihm hinterher. Am liebsten würde sie sich jetzt einfach ins Bett legen.

Im Hort waren auch alle total sauer. Als sie nass und dreckig dort ankam, hatte Ben, einer der Betreuer, sein Handy in der Hand. Es fielen ihm fast die Augen aus dem Kopf, als er sie sah.

»Moment, da ist sie. Sie ist gerade gekommen. Ja, tut mir leid, alles klar, Wiederhören.«

Ben hatte soeben mit der Polizei telefoniert. Finjas Fehlen war natürlich gleich beim Mittagessen aufgefallen. Finjas Mutter hatte keiner erreicht (logisch, niemand konnte sie erreichen), aber auch ihr Vater war nicht ans Telefon gegangen. Was häufig vorkam, denn – so hatte er einmal erklärt – immer wenn das Telefon klingle, habe er das Gefühl, in der nächsten Sekunde käme ihm eine Glückskeksspruch-Idee, und deshalb würde er sich genau dann einfach nicht rühren können. Ben hatte auch mit Frau Reis telefoniert. Sie hatten sie überall gesucht. Ben führte mit Finja ein »ernstes Gespräch«, aber weil Finja partout nicht sagen wollte, wo sie gewesen war, verlief das ziemlich unangenehm. Jetzt hat sie einen Brief an ihre Eltern in der Tasche, und da muss noch heute irgendwie Papas Unterschrift drauf.

Finja ist so erledigt, dass sie nicht in der Lage ist, sich dafür irgendeinen Plan auszudenken. Lange sitzt sie in ihrem Zimmer und starrt nur vor sich hin. Dann steht sie auf, zieht den Brief aus dem Ranzen und geht zu Papa ins Arbeitszimmer.

Der sitzt vor seinem Computer im Papierwolkenmeer. Auf dem Bildschirm steht in großen schwarzen Buchstaben »Glück ist«. Mehr nicht. Zwei Haarbüschel stehen von Papas Kopf ab, sodass er aussieht wie ein gerupftes Huhn. Sein Rücken ist krumm, und seinen Kopf hat er auf seine Hände gestützt, und zwar so – wie Finja jetzt von der Seite sieht –, dass seine Backen nach oben verschoben sind. Mit seiner kleinen Bildschirmbrille sieht er aus wie ein Maulwurf. Ein gerupfter Hühner-Maulwurf.

»Papa?«

»Hm«, brummt er.

»Du musst da was unterschreiben.«

Was soll sie sagen, wenn Papa jetzt gleich fragt, warum sie nicht direkt von der Schule in den Hort gegangen ist? Sie wird es einfach nicht sagen, genauso wie bei Ben. Aber irgendwo in Finjas Kopf steckt winzig klein die Hoffnung, dass Papa nicht lockerlässt, sie ihm doch alles erzählt und er ihr hilft, mit dem Brief, mit Anastasia und mit allem. Aber würde er das tun? Oder würde er schimpfen oder – noch schlimmer – Mama anrufen und ihr alles erzählen, und dann wird Mama nie gesund.

»Papa?«

»Hm?«

Papa sitzt immer noch in der gleichen Haltung da und starrt von unten auf seinen Bildschirm.

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